Bedürfnis nach Transzendenz

Geschrieben am 12.08.2022

Wir Menschen haben bekanntermaßen eine Vielzahl an Bedürfnissen und sind sich dessen auch mehr oder weniger bewusst. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Je besser wir unsere wahren Bedürfnisse kennen und befriedigen umso glücklicher leben wir.

In der Maslowschen Bedürfnispyramide z.B. ist das was wir brauchen sehr anschaulich dargestellt, von den Grundbedürfnissen ganz unten, bis hin zur Transzendenz ganz oben. Dazwischen liegt was wir sonst noch für wichtig erachten. In vielen Darstellungen der Pyramide wird allerdings auf die Transzendenz ganz oben vergessen, und sie endet mit der Selbstverwirklichung. Das finde ich ziemlich rätselhaft, denn individuelle Selbstverwirklichung ist etwas anderes, und Transzendenz eher die Krönung unseres Daseins.

Ebenso habe ich den Eindruck, dass die Transzendenz von vielen Menschen vergessen wird. Sie spüren zwar, dass etwas wichtiges in ihrem Leben fehlt, wissen aber nicht genau was es ist, oder ordnen ihr Verlangen falsch zu. Z.B. kann der Wunsch sich zu berauschen darin begründet liegen. Historisch betrachtet war der Gebrauch von berauschenden Substanzen eher wenigen Menschen vorbehalten, bzw. zu bestimmten rituellen Zwecken. Das gilt im Wesentlichen auch für Alkohol. Meiner Ansicht nach sollten Erwachsene natürlich frei entscheiden können wie sie sich verhalten oder verändern. Mir geht es hier um ein mögliches Bedürfnis das dahinter steckt. Die östlichen Weisheitslehren z.B. raten von Substanzen ab, die die Sinne verwirren und zu Nachlässigkeit führen. Das macht insofern auch Sinn, als sie konkrete Methoden zur Praxis anbieten können, die sich Jahrhunderte und länger bewährt haben.

Bei diesen Praxis-Wegen geht es mehr um Tun und Lassen, als um Wissen und Wollen. Heute haben wir das ganze globale Angebot zur Verfügung, und können uns aussuchen welchen Weg wir gehen möchten. Dabei gibt es keine besonderen Geheimnisse zu ergründen, außer eben die die in einem selbst verborgen sind. Im Allgemeinen wird geraten sich umzusehen und dann schwerpunktmäßig bei einer Praxis zu bleiben, ein Leben lang. Mit der Zeit sollte sich ein tieferes Verständnis aus dem Herzen und echtes Mitgefühl einstellen. Das wäre meines Erachtens ein wichtiger Hinweis, dass man auf einem heilsamen Weg ist.

Es ist ein guter Anfang immer wieder mit seiner Achtsamkeit ins Hier und Jetzt zu kommen, einfach so wie es ist, z.B. zur eigenen Atmung. Dafür gibt es keine Voraussetzungen, wie etwas bestimmtes zu glauben oder zu denken. Um die Praxis zu vertiefen hat sich für viele bewährt gemeinsam mit anderen zu praktizieren. Dieser Spiegel kann wichtig sein, und die Energie und Motivation in der Gemeinschaft förderlich. Philosophische und historische Betrachtungsweisen die damit einhergehen, können vorübergehend hilfreich sein, um neue Sichtweisen zu bieten und den Geist von unnötigem Ballast zu befreien. Die Unterstützung durch erfahrene Menschen erlebe ich ebenfalls darin begründet.

Auch in der christlichen Mystik stehen der Weg und die Erfahrung im Vordergrund. Die Parallelen zu östlichen Lehren wie dem Zen, haben mich anfangs sehr erstaunt, und ermutigt mich einer mehr universellen Wirklichkeit zu öffnen. Ein zeitgenössischer spiritueller Lehrer dem ich begegnen durfte, ist der Benediktiner Mönch Bruder David Steindl Rast, dessen Wirken und Bücher ihn weit über Österreich hinaus bekannt gemacht haben.

 

Übung der inneren Einkehr

Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht,
hat das menschliche Ich für sich selber nichts.

Das Ich hätte gerne etwas
Und es wüsste gerne etwas
Und es wollte gerne etwas.

Bis dieses dreifache Etwas in ihm stirbt,
kommt es den Menschen gar sauer an.
Das geht nicht an einem Tag
Und auch nicht in kurzer Zeit.
Man muss dabei aushalten,
dann wird es zuletzt leicht und lustvoll.

Johannes Tauler (ca. 1300-1361)